O du! Nur zwei Worte durch des Meules Tochter. Seit der Stunde deines Abschiedes bin ich nur Halbmensch – und vegetiere nur. Deinen unaussprechlichen Wert lernt´ ich aufs Neue mit Entzücken schätzen. Meine Liebe ist seitdem ein Sturm; möchte Bäume auswurzeln, Hügel wegblasen und hinstürmen zu dir – du Erste! – Aber nun ist´s wieder wüst und leer um mich – ein Chaos voll Nacht und ohne Liebe.

Meine Hoffnung, dich wiederzusehen, ist ein Strohhlam, der knickt, wann man sich anlehnt.
Doch Gott, der Liebe Urquell, wird auch uns helfen, die wir funkelnde Wasserstrahlen von diesem Quell sind.

Liebes Weib – ach, mit Entzücken nenne ich dich so – ich gestehe dir´s hiermit offen:
Meinethalben mag der Herzog mich einsperren und – wenn ich nur vor meinem Vaterlande mit Ehren bestanden bin – frikassieren und braten. Um Gottes willen, warum ist man taub gegen mein Jammergeschrei nach dürftiger Freiheit? – Wenn nichts erfolgt, so schreib´ ich nächstens an den Herzog selber und ächz´ ihm meine Klage vor.

Sei deiner Abwesenheit bin ich immer kränklich. Du – meine Kinder –, die ich nach neun Jahren das erste Mal wiedersah, habt mich bis zum Sterben durcheinander gerüttelt. Meine Nerven dröhnen noch vom Fußtritte eurer Liebe. Tränengüsse entstürzen mir noch täglich, ich schäme mich oft, wenn ich ans große Wort Jesu denke:
Wer Weib, Sohn, Tochter –
Mehr liebt denn mich –,
Ist mein nicht wert.
Doch weg von diesem Artikel, in dessen Flammen ich brate. Abgekühlt!! …

Wär´ ich doch frei! – Aber meine Kette scheint mit dem ersten Ringe an Jupiters Thron zu hängen. Guten Morgen, guten Mittag, guten Abend, gute Nacht – und sanften Schlummer, süßes Erwachen, steten Seelenfrieden, Freud´ im Tod, fröhliche Urständ, Belächeln der Liebe Gottes und ewige Zusammenkittung mit dir – wünscht – dir

Dein Schubart, so ganz dein Schubart.

 

Christian Friedrich Daniel Schubart an seine Frau Helene | Hohenasperg, im Juli 1785

 

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