Dem züchtigen

2012 | Liebesbotschaft

Dem züchtigen und gelehrten Gesellen Philippo Melanchton dem Jüngern meinem guten Gönner zu Handen

Gottes Gnade und Friede durch Christum wünsche ich euch und ein glückseliges neues Jahr, herzallerliebster Philipp, Ihr traget noch in frischem Gedächtnisse, was ihr mit mir geredt habt zu Wittenberg, nämlich daß ihr mir angelobt, mich zu einem ehelichen Gemahl zu nehmen, und auf daß ich nicht möchte an euer Zusag zweifeln oder gedenken, es wäre euer Ernst nicht, habt ihr mir dieselbige Zusage, wie ihr wohl wisset, des Morgens erneuert, und endlich die Hand darauf gegeben, auch nachfolgends etliche Geschenk darauf überantwortet, und noch in meinem Abschied dieselbige Ehe in die Faust zugesagt, und mit ganz großem ernstem Schwure bestätigt, nämlich daß ihr immer und in Ewigkeit keine andere zu nehmen willens seid, und ich euer sei auch nicht von euch mag geschieden werden, denn durch den Tod. Die ihr solches alles wisst, und dieweil ich von euch gezogen und mich auf solche ofte Zusagung verlassen, wird ich armes Mägdlein nu nicht allein hie unbillig austragen, als solt ich mich heimlich hinter meiner Eltern Wissen mit euch verlobt, auch nachgegangen und keine Ruhe gehabt bis ihr mir die Ehe zugesagt. Welches alles denn so wahr Gott im Himmel ist, nicht also ist, sondern was ich getan habe, das habe ich mit Vorgedenken meiner Eltern und wohlbedacht aus reinem, fleißigen und steten Anliegen gethan, da selbst ihr mir denn, wie oben gesagt, so mit ernstem trefflichen Schwur die Ehe zugesagt. Aber itzund erfahre ich wie euer Vater mit dem meinen umgehen will, und gar ein nicht daraus machen, welches ich denn nicht recht verstehen noch ermessen kann, viel weniger mit unser beider gutem Gewissen gehen mag, und dieweil solche Zusagung zwischen uns beiden geschehen, auch anlangen thut unser eigen Gewissen, daß wir es vor Gott am jüngsten Tag verantworten müssen, acht ich kann und mag sie ohne unser beiden Verwilligung nicht zertrennt noch verhindert werden, wie denn euer Herr Vater wohl zu thun vermeinet. Und machet mich armes Mägdelein diese neue Mähr zu diesem neuen Jahr ganz betrübt und verrenkt, daß ich nicht weiß, was ich vorhaben soll, kann und mag weder essen noch trinken, weder schlafen noch wachen, also gar bin ich in meinem Gemüt zerrückt, zu welchem allen ihr eine einige Ursache seid, und ich besteh, so dieser Sach nicht recht geholfen werde, werde es mir großen Schaden tun. Deshalb bitt ich euch um Gotteswillen, wollet mich verständigen, was Euer Sinn sei, und worauf ihr bestehen wollt, und hierin ansehen die große wichtige Sache, die mich und euch nicht Leib und Leben, sondern den ewigen Zorn Gottes und seiner Strafe, und das ewige Nagen des Gewissens betreffen, und wiewohl ich mich mit meinem Gewissen so hoch, das Gott gedankt sei, nicht versündigt hab, auch nicht Gottes ewige Vermaledeiung und Zorn auf mich geladen hab, als ihr denn gethan, und nicht einmal sondern oft euch verflucht, wo solche Zusage von euch nicht gehalten werde, daß ihr Gottes Anlitz nimmermehr bestehen wollt, auch ewig des Teufels sein. Doch bin ich vor Gott neben euch und in meinem Gewissen also erhofft, daß ich fürcht, es würde mir armen Wesen nimmermehr wohlgehen, vielmehr aber euch. Derhalben damit euer und mein Gewissen rein bleibe vor Gott, und ich nicht teilhaftig werden möchte eurer Vermaledeiung und ergeben des Teufels, bitt ich euch nach und jetzt wie vor um Gottes willen, wollet in solchen wichtigen trefflichen Sachen die unser beider Seelen Seeligkeit anlangt, nicht unachtsam sein, oder darin zu Gefallen eurer Freundschaft und etlicher Menschen, Gottes ewigen Zorn, eure Vermaledeiung und ewiges Nagen des Gewissens auf euch laden, welches euch ach Gott im Himmel viel zu schwer würde sein, sondern allhie bedenken eurer Seele Seeligkeit und reines Gewissens vor Gott, mit welchem ihr sicherlich am jüngsten Tag vor Gott treten möget. Und zwar als ich aus der Rede eures Herrn Vaters vernommen, gedenkt mich hierin los zu zählen frei und ledig, als möchte ich wohl mich anderswo umsehen, welches einstweilen mir unmöglich ist, und euch viel mehr.

Werde auch mich damit, darzu mir Gott helfe, so bald nicht abweisen lassen. Dernach ihr euch wißt zu richten. Nachdem bitt ich noch und zum letzten wollet euer Gewissen in dieser Sachen fleißig und acht geben, daß ihr euch selbst nicht ein ewiges Verdamniß, dafür euch Gott behüte, aufladen möchtet. So denn also wollt ich lieber, daß ich euch nimmermehr gesehen hätt, denn eine einzige Ursach dazu gewest sein. Solches bitt ich, berherzigt bei euch, und schreibet mir eilends wieder, damit ich nicht also bekümmert, und da Gott vor sei, in ein Unglück fallen möchte, welches mir denn zu schwer wäre, und ihr eine einige Ursach. Damit Gott befohlen. Geben Leipzig Dienstag nach der der heiligen drei Könige Tag. Im Jahr 1544

Margareth Kuffners

 

Margarethe Kuffner an Philipp Melanchthon | ca. 1544